Polka Dots


Titel: POLKA DOTS

Autor: Jutta Wiese

Genre: Thriller

Format: E-Book 

 

Erhältlich bei Amazon, inkl. Kindle Unlimited

 

 

 


Klappentext:

 

Los Angeles, Stadt der Engel und ewige Traumfabrik: Eine junge Schauspielerin wird ermordet aufgefunden. Die Begleitumstände der Tat deuten auf einen Serientäter hin. Zeugen fehlen, bis auf Jana Funke, eine junge Filmschaffende mit hellseherischen Fähigkeiten, die sich schließlich der Polizei offenbart. Ihre Visionen entlarven den aufstrebenden Hollywoodstar Jack Fraser als Täter. Ein ungewöhnlicher Fall für das Ermittlerteam, rund um Lieutenant Frank Boyer und FBI-Agentin Marla Cross ...


Thriller aus dem Filmmilieu, im Perspektivenwechsel, aus Sicht der einzelnen Protagonisten erzählt. Hinweis: Der Täter ist von Anfang an bekannt.

 


Hörprobe - gesprochen vom wundersamen HERBERT ARP (dem einzig echten "Hööörbert"!)


Leseprobe - Jack Fraser, Vorfreude

 

»Heute ist dein Tag, alter Junge«, bemerkt Jack Fraser lächelnd zu sich selbst und betastet das frisch rasierte Kinn. »Glatt wie ein süßer Babypo ...«

An diesem besonderen Abend trägt der hochgewachsene Mime teuerste französische und britische Designerware, bestehend aus einem schmal geschnittenen, anthrazitfarbenen Anzug und handgenähten Oxfords. Unter dem Sakko blitzt ein schlichtes, weißes Hemd, dessen obere Knöpfe nicht geschlossen sind. Wüsste man nicht, dass er Schauspieler ist, man könnte ihn weiterhin für ein erstklassiges Model halten. Die dicht bewimperten, nougatfarbenen Augen glitzern diabolisch, als er das Glas Bourbon an die Kehle setzt und kurz darauf auf eine weiche Ledercouch sinkt. Dies ist sein Jahr! Erst der Globe, dann die Bekanntgabe der Nominierung für den Alexandra-Award, als bester Hauptdarsteller in einer Abendserie.

Ganz zu schweigen von der Blonden mit den großen Brüsten, die er letzte Woche genüsslich erwürgt hat. Schade, dass der Mord in den Niederungen der City eine recht einseitige Angelegenheit war, als Folge der vorab verabreichten K.-o.-Tropfen. Doch irgendwelche verräterischen Gesichtskratzer oder abgeschabte Hautfetzen unter den Nägeln der Opfer kann er sich nicht leisten. Besser gesagt: nicht mehr.

Früher, in der tiefsten Provinz oder im Ausland, stellten diese berauschenden Zeugnisse wilder Todeskämpfe kein Problem dar, aber heute?

Er ist der Fraser, makellos, perfekt, und über jeden Zweifel erhaben.

Der sinnierende Hollywoodstar genießt einen weiteren Schluck Whiskey.

Seine ersten Morde liegen weit zurück, sowohl in der Erinnerung, als auch in Meilen. Damals war er noch völlig unbekannt, irgendein namenloser Drugstore-Mitarbeiter in Nolanville, Texas. Ein hübscher stiller Typ, mit genügend Hass in der Seele, um mehrere junge Frauen abzuschlachten. Weiber, die seiner despotischen Mutter Evelyn nicht im geringsten ähnlich sahen. Ihr Pech war einzig und allein, dass sie gepunktete Klamotten liebten. Wie die, die Mom oft trug - in seiner Kindheit.

Kindheit? Was für ein beschissener Begriff.

»Elende Fotzen, ihr habt es verdient«, knurrt er und knallt das eckige Whiskyglas auf einen nahe gelegenen Beistelltisch. Seit er damals, vor mehr als einem Jahrzehnt, zufällig von einem durchreisenden Fotografen entdeckt und zu einem begehrten Model geformt wurde, hat er kaum Lust verspürt, zu morden. Doch nun ist er zurück, der unwiderstehliche Drang zu töten! Genährt von der Erinnerung an Evelyns nervtötende Tiraden: »Du Nichtsnutz, du kleiner Wicht, du wirst es nie zu etwas bringen! Du bist Ungeziefer, wie dein verschwundener Erzeuger! Hätte ich dich bloß nie geboren!«

Vielleicht sind die Dämonen des Hasses zurückgekehrt, weil die Unmengen an Ehrungen, die in jüngster Zeit über ihn hereinbrechen, den krassen Gegensatz zu all dem symbolisieren, was er als Kind einst erlebt hat. Fast ist es, als ob die gestrenge, gefühlskalte Mutter ein letztes Mal versucht, den kleinen Jack die dunkle Kellertreppe hinabzuwerfen. Hinein ins beängstigende Dunkel, wo nichts ist, außer dem Modergeruch feuchter Wände und den brennenden Striemen, die dutzende Gürtelhiebe vorab auf seinem Rücken hinterlassen haben.

»Aus dir wird nie etwas, nie ...«

Doch Evelyn wird es auch diesmal damit scheitern, ihn zu brechen.

Nein! Er wird sie brechen, eines Tages, wenn er bereit dazu ist.

Und bis dahin übernehmen eben ahnungslose Stellvertreterinnen jenen undankbaren Job.

Ein lautstarkes Summen ertönt und durchbricht Jacks düstere Erinnerungen. Er atmet kurz durch, erhebt sich und schreitet gelassen zur imposanten Eingangstür aus massivem Redwoodholz. Er ist Schauspieler und ein verdammt guter dazu.

Draußen steht Leo Gold, der junge Regisseur seines neuesten Films. Er trägt ein stylishes Jacket von Missoni und strahlt wie ein debiles Honigkuchenpferd. »Hi Jackyboy, ready? Mona wartet im Wagen. Können wir?«
»Sofort.« Jack wirft einen letzten Blick zum barocken Spiegel an der Wand. Das mannshohe, antike Stück bildet einen harten, üppigen Kontrast zu den klaren Linien der im Bauhausstil errichteten Villa.

Überaus passend, denkt der Hausherr angesichts des eigenen Anblicks. Schwarz und Weiß, Himmel und Hölle. Auf Frasers Gesicht erscheint ein zufriedenes Grinsen. »Gehen wir, Leo. Lassen wir uns feiern!«

Jener nickt zustimmend, denn er weiß: Genau das wird geschehen. Heute findet schließlich die glanzvolle Premiere von »Jason Beard: Wettlauf mit dem Tod« statt. Diese Regiearbeit wird auch ihn endgültig in die erste Reihe katapultieren. Dessen ist er sich sicher.

Jack erreicht als erster die glänzende, schwarze Limousine und fällt auf eine der bequemen Rückbänke aus cognacfarbenem Leder. »Hi Darling, unwiderstehlich wie immer ...«, raunt er der gegenübersitzenden, dunkelhaarigen Schönheit zu. Sie hat den gleichen Beruf wie er und nicht nur vor der Kamera das Bett mit ihm geteilt.

Mona Richardson erwidert den Gruß mit einem Lächeln voller unverhohlener Anzüglichkeit. Neben Fraser profitiert auch die 28-jährige von den jüngsten Schlagzeilen um ihre kleine Affäre. Eine Win-win-Situation für beide Parteien. Zudem ist ihr Leinwandpartner ein guter Liebhaber. Gelegentlich etwas zu grob, aber Mona liebt es, dominiert zu werden. Eine gelungene Abwechslung zu den sonstigen devoten Stiefelleckern, die vor ihrer Berühmtheit kuschen. Vielleicht können sie und Jack in dieser Nacht noch ein schweißtreibendes Revival feiern. Die letzte intime Begegnung liegt bereits zwei Wochen zurück.

Nach längerer Fahrt durch die belebte City, und einigen Warteminuten in der vor ihnen liegenden Schlange luxuriöser Limousinen, lenkt der stille, gesichtslose Chauffeur den Chrysler vor den festlich beleuchteten Haupteingang des altehrwürdigen Southwest-Theaters, direkt an den Rand des dunkelroten Teppichs. Dessen Längsseiten sind von Dutzenden messingfarbenen Trenngittern begrenzt. Die filigran wirkende Absperrung soll die unzähligen Schaulustigen und Fans auf Abstand halten. In Wahrheit sorgt dafür jedoch ein vielbeschäftigtes Security-Team, bestehend aus grimmig dreinblickenden menschlichen Kleiderschränken.

Noch bevor ein herbeigeeilter Page des Theaters die hintere Autotür geöffnet hat, beginnt das Blitzlichtgewitter der anwesenden Fotografen. Aufgeregte Fans hüpfen in die Luft, johlen, winken oder klatschen lautstark in die Hände. Dazu die Autogrammjäger plus Social-Media-User unter ihnen: Bittend strecken sie Fotos, Zeitschriftencover, Stifte und Smartphones hoch, mit fiebrig glänzenden Augen und geröteten Wangen.

Jack liebt jene euphorisierenden Momente.

Er bleckt das perfekte Gebiss und widmet sich den Untertanen.

Dutzende Selfies und Autogramme später, erreichen er, Mona und Leo das hell erleuchtete Foyer. Dort haben ausschließlich geladene Gäste Zutritt und die Stimmung wirkt merklich entspannter.

Die Menschen innerhalb der priviligierten Zone, zumeist Filmschaffende oder Prominente, halten einen kleinen Plausch, genießen herumgereichte Drinks oder eilen ein letztes Mal zur Toilette. Bis zur eigentlichen Vorführung wird noch genügend Zeit vergehen.

Eine der vielen Kellnerinnen präsentiert ein gefülltes Getränketablett und Fraser greift zu.

Harvey Johnson, der federführende Produzent des heute gefeierten Streifens, eilt an seine Seite. »Was denkst du, Jack? Kriegen wir hierfür demnächst den Goldjungen? Den Alexandra-Award hast du ja schon so gut wie in der Tasche.«

Jack lacht und in seinen dunklen Augen schimmert unverhohlene Überzeugung. »Natürlich. Ehre, wem Ehre gebürt ...«